Svenska Yle Deutschland-Mitarbeiter interviewt Nordbayerische Bürgerinitiativen

| Johnny Sjöblom/Svenska Yle - übersetzt durch Norbert Reger

Deutsche Windkraft im Gegenwind - immer mehr protestieren gegen den Bau neuer Windräder

Die Windenergie ist in diesem Jahr erstmals die wichtigste Energiequelle in Deutschland. Gleichzeitig steht der Ausbau derzeit jedoch nahezu still. Neue strengere Regeln für den Bau von Windrädern haben in Verbindung mit immer größeren Protesten der Bevölkerung zu heftigen Gegenwindkämpfen bei der Windenergie geführt.

Die fast 200 Meter hohe Windkraftanlage produziert Strom im kalten Dezemberwind.

Neben den drei Windenergieanlagen, die sich hoch oben in der Nähe des kleinen Dorfes Altzirkendorf befinden, sehe ich von meinem Standort aus zwei weitere Windparks.

Hier in Nordbayern sind die Windkraftanlagen jedoch noch nicht so dicht, und mehrere Bürgerinitiativen in der Region kämpfen hart dafür, dass dies auch so bleibt.

- Viele Menschen glauben, dass sie nur dann Gutes tun, wenn sie die Windräder aufbauen und sich für grüne Energie einsetzen wollen.

- Erst im Nachhinein merken sie, wie belastend die Windräder für Mensch und Natur sind, sagt Bettina Stickling von der Bürgerinitiative Windparkfreie Heimat - Rund um den Rauhen Kulm.

Stickling möchte vor allem das Infraschallrauschen hervorheben, das die Windräder verursachen und an dem sie selbst leidet.
 

"Abschreckendes Beispiel"

Die Bürgerinitiative hat mit ihren Protesten erste Erfolge erzielt. Die Pläne für den Bau von sechs Windenergieanlagen in der Nähe des Vulkans Rauher Kulm sind zumindest vorerst auf Eis gelegt.

Fünfzehn Kilometer entfernt im Hessenreuther Wald geht die Planung jedoch weiter.

Erneut kämpft eine der mehr als 1.100 Bürgerinitiativen Deutschlands derzeit dafür, den Bau der dreizehn Windräder zu stoppen.

- Wir sind Hunderttausende, ja Millionen von Menschen, die von dieser Zerstörung betroffen sind. Wir kämpfen für unsere Heimatstadt und die Natur, die wir haben, sagt Hermann Popp, einer der protestierenden Bewohner der Region.

- Ich denke, dass Deutschland beim Ausbau der Windenergie andere Länder abschrecken wird, fährt Popp fort.

Umweltorganisationen sind sich natürlich bewusst, dass Windenergie auch Probleme verursacht, aber wenn Deutschland Atom- und Kohlekraft wie geplant ersetzen will, gibt es nur wenige andere Möglichkeiten.

- Die Entwicklung muss fortgesetzt werden, aber unter Berücksichtigung von Natur und Umwelt, sagt Herbert Barthel von der Umweltorganisation BUND.

- Gleichzeitig muss es auch möglich sein, bestimmte Projekte von Zeit zu Zeit zu stoppen, fährt Barthel fort.

 

Die Branche spricht von Krise

Derzeit stehen deutschlandweit rund 30.000 Windenergieanlagen.

In diesem Jahr erwartet der Bundesverband WindEnergie, dass die Windenergieanlagen so viel Strom produzieren wie nie zuvor.

Der neue Rekord bedeutet unter anderem, dass die Windenergie die Braunkohle als wichtigste Energiequelle des Landes überholt.

Im Jahr 2019 soll der Anteil der Windenergie an der Produktion 24 Prozent betragen, während der Anteil der Braunkohle bis zu 20 Prozent betragen wird.

Trotz der Zahlen betont der Zentralverband BWE, dass sich die Windenergiebranche in einer Krise befindet - es werden einfach nicht genug neue Windenergieanlagen gebaut.

Neben den immer weiter verbreiteten Protesten ist dies nach Angaben des Verbandes auch mit der bürokratischen Baugesetzgebung verbunden.

Als neue Bedrohung sehen Sie auch, dass der Raum, in dem die Windräder gebaut werden können, langsam knapp wird.


Neue Abstandsregel

Dahinter stecken die Pläne von Bundesregierung und Wirtschaftsminister Peter Altmaier, neue Regeln einzuführen, wie nahe Windkraftanlagen aufgestellt werden können.

Nach dem umstrittenen Vorschlag sollten die Windräder künftig nicht weiter als einen Kilometer von der nächsten Siedlung entfernt stehen, was in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland natürlich zu Problemen führt.

Nach einigen Berechnungen, unter anderem des Umweltbundesamtes und des Fraunhofer-Instituts, würde die neue Regelung dazu führen, dass bis zu 40 bis 50 Prozent der für die Windenergie möglichen Flächen entfernt werden.

Der Vorschlag des Wirtschaftsministers wurde sowohl von Umweltorganisationen als auch von der Industrie-Lobby des BDI kritisiert.

Die Spekulationen um die neue Herrschaft besagen unter anderem, dass der Christdemokrat Altmaier mit seinem Plan der rechtspopulistischen AFD entgegentreten will, die in den östlichen Landesteilen den Widerstand gegen die Windenergie zum politischen Thema gemacht hat.

 

Die Bundesländer können selbst entscheiden

Die neuen Abstandsregeln sind jedoch für die Bürgerinitiative in Nordbayern nicht von Bedeutung. Jedes Bundesland kann in Zukunft entscheiden, ob es die neue Regel umsetzt oder nicht.

In Bayern gilt bereits die strengere 10H-Regel, wonach der Abstand zur nächsten Siedlung mindestens das Zehnfache der Höhe der Windenergieanlage betragen muss.

- Auch mit dieser Regel kommen die Windräder den Häusern noch zu nahe, sagt Bettina Stickling.

Andererseits gibt es auch Bundesländer, die kürzere Strecken und weniger strenge Regeln anstreben.
Dies gilt unter anderem für die Bundesländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen, in denen die Windenergie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist.


"Wir erreichen die Ziele kaum"

Deutschland hat sich im Rahmen der Energiewende zum Ziel gesetzt, bis 2030 65 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien zu beziehen.

Ob dies wirklich gelingt, ist noch ein großes Fragezeichen.

- Wie es jetzt aussieht, werden wir die Ziele kaum erreichen. Insbesondere bauen wir zu wenig Sonnen- und Windenergie, sagt Herbert Barthel vom Naturschutzbund.

- Persönlich weiß ich nicht, wie ich das den Schülern und Jugendlichen erklären soll, die dieses Problem jeden Freitag demonstrieren, fährt Barthel fort.

Nach Ansicht der Windenergie-Gegner muss die Lösung jedoch anders sein als die Einrichtung neuer Windkraftanlagen.

- Eine Energiereform, die grün und ökologisch sein soll, sollte meiner Meinung nach auch Mensch und Natur berücksichtigen, sagt Bettina Stickling.

- Die ganze Energiewende ist idiotisch für mich. Ein Plan, der ausgearbeitet wurde, ohne darüber nachzudenken, ob er überhaupt umgesetzt werden kann, sagt Hermann Popp.

In der gegenwärtigen Situation sieht er auch einen Konflikt zwischen Stadt und Land.

- In den großen Städten will man Ökostrom genießen, während wir jetzt auf dem Land sind und die Folgen haben, sagt Popp.

Quelle: Svenska Yle
Fernsehbericht (ab 2:30 min)

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